Seit einigen Wochen mache ich – ausgelöst durch die Corona-Krise – als Managementtrainer und -berater Erfahrungen mit digitalen Veranstaltungen. Meine bisher als Präsenzkurse durchgeführten Seminare konnte ich in dieser Form nicht mehr durchführen, daher habe ich sie mit erfahrenen Experten auf diesem Gebiet, Lisa Ohneberger und Marcel-André Geffé in ein digitales Angebot umgebaut. Hier ein erster Erfahrungsbericht:
Aus den Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaften wissen wir, dass Lernen dann stattfindet, wenn im Gehirn Botenstoffe ausgeschüttet werden, die aufgrund starker emotionaler Erlebnisse entstehen. Wenn Lerninhalte nicht mit Emotionen verbunden werden, kann kein nachhaltiges Lernen stattfinden. Das Gehörte bleibt nicht haften, wir vergessen es wieder und das Gehirn schafft schnell wieder Platz für wichtigeres. Über dieses Wissen verfügten auch schon die „alten“ Pädagogen wie Johann Heinrich Pestalozzi, Maria Montessori oder Eduard Spranger.
Das Verbinden von emotionalen Erlebnissen und Lerninhalten wird in Präsenzveranstaltungen wie z.B. bei Managementtrainings vor allem dadurch gewährleistet, dass der Trainer die Teilnehmer begeistern und mitreißen kann, und dass er im Kurs einen hohen Praxisbezug sicherstellt. Somit werden die Lerninhalte von den Teilnehmern unmittelbar sofort verwertbar. In erlebnisorientierten Rollenspielen werden die Teilnehmer gechallenged. Individuelles Feedback mit Fokus auf die Stärken der Teilnehmer kräftigt deren Selbstbewusstsein und das sichere Auftreten.
Meines Erachtens sind das auch zentrale Aspekte, die im digitalen Training besonders berücksichtigt werden müssen.
Warum?
- Die technischen Möglichkeiten, die digitale Konferenzen wie Zoom oder MS-Teams und kollaborative Tools wie z.B. Miro bieten, verführen die Trainer im Prinzip dazu, viel zu viele Inhalte reinzupacken –
„Datenmenge ist in der Cloud ja kein Problem“ - Daraus ergibt sich die Gefahr, dass Trainer, ähnlich wie bei einer schlechten Vorlesung von einem Punkt zum nächsten hetzen. Die Teilnehmer verlieren sich in den vielen Inhalten, es kommt zum informationellen Overload. Am Ende bleibt bei den Teilnehmern nicht viel mehr zurück als Kopf- und Nackenschmerzen.
Teilnehmer bewerten ihre erfolgreiche Teilnahme auch bei einem digitalen Kurs daran, nicht an der Quantität der Inhalte, sondern daran, ob es ihnen persönlich und/oder beruflich etwas gebracht hat. Daher sind meines Erachtens die nachgenannten 5 Punkte zentral, um den Erfolg von digitalen Schulungen sicherzustellen:
1. Das Erlebnis vom gemeinsamen Lernen und Entwickeln muss im Zentrum stehen
Die Inhalte, die vermittelt werden, müssen anschaulich und praktisch erfahrbar gemacht werden. Der unmittelbare Praxisbezug – Das „Lernen wie es geht“ steht im Vordergrund! Wissen, dass ich nicht sofort umsetzen, kann ich mir auch danach eigen, ich kann es nachlesen oder mir in einem Video mehrfach ansehen. Die Teilnehmer erleben sich vor dem Bildschirm vor allem zuhörend und aufnehmend. Aktiv werden Sie erst, wenn sie selbst was tun, daher ist darauf zu achten, dass Interkation mit dem Trainer aber auch unter den Teilnehmern stattfinden.
Das kollaborative „Miteinander-Bauen“ wird als intensive Begegnung mit den anderen Teilnehmern mit dem Trainer und den Inhalten erlebt.
2. Digitales Mindset alleine reicht nicht aus
Trainer für digitale Schulungen brauchen selbstverständlich ein digitales Mindset. Allerdings wird dies alleine nicht reichen. Es braucht viel didaktisches Geschick, Sensibilität für die unterschiedliche Lerngeschwindigkeit der Teilnehmer und Humor. Digitales Training muss Spaß machen, sonst ergeht es den Teilnehmern wie gelangweilten Fernsehzuschauern, sie dösen einfach weg. Es geht vielmehr darum, die digitale Expertise mit psychologischem und pädagogischem Knowhow, mit Methodenwissen aus der neuen Arbeitswelt und mehrjähriger Workshop-Erfahrung in Einklang zu bringen. Wie in Präsenztrainings auch ist die persönliche Beziehung zwischen Lerner und Lernbegleiter entscheidend dafür, dass Teilnehmer sich auf die Lernsituation wirklich einlassen und mit Begeisterung lernen können.
3. Raum für vertrauensvollen, offenen Austausch ermöglichen
Da der unmittelbare Kontakt zwischen den Teilnehmern fehlt, braucht es Raum für den Erfahrungsaustausch zwischen den Lernenden. Trainer sind hier gefordert mit geschickten Fragen und Gespür für die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Teilnehmer das Vertrauen unter den Teilnehmern wachsen zu lassen und für einen offenen vertrauensvollen Austausch untereinander zu sorgen.
4. Mehr Pausen, um das Gelernte besser zu verdauen
Wie in Präsenzveranstaltungen auch ist die Lernkapazität von Teilnehmern in digitalen Formaten ebenfalls beschränkt. Digitales Arbeiten erfordert hohe Konzentration des Geistes. Daher sind häufigere Pausen hilfreich, um das Gelernte zu festigen.
5. Technik und Tools
Selbstverständlich hat auch die eingesetzte Technik und die ausgewählten Software-Tools Einfluss auf den Lernerfolg der Teilnehmer. Dabei ist für den Lernerfolg entscheidend, dass intuitiv anwendbare Tools genutzt werden, die die Teilnehmer in der Anwendung nicht überfordern, Inhalte gut visualisieren und Spaß machen. Wenn ich mir die Softwarelandschaft so anschaue, dann gibt es zwar viele Tools, von denen sind aber kaum welche mit dem Ziel entwickelt, den Lernerfolg zu steigern. Entscheidend scheint mir zu sein, die zur Verfügung gestellten Boards wie z.B. bei Miro, so zu bauen, dass die Aspekte, die den Lernerfolg positiv beeinflussen, sehr gut abgebildet werden. Insofern lässt das für mich nur den Schluss zu, dass die Tools eben doch einen sehr großen Einfluss haben, zumindest was die Möglichkeiten angeht, die wichtigen Effekte abzubilden, die den Lernerfolg positiv beeinflussen.